Prekäre Beschäftigungsverhältnisse

Der Begriff "prekär" lässt sich auf die lateinische Bezeichnung "precarius" zurückführen und bedeutet "unsicher", "peinlich", "unangenehm", "heikel".

Als prekär gelten Beschäftigungsverhältnisse, wenn sie die charakteristischen Standards des Normalarbeitsverhältnisses unterschreiten und deutliche Risiken für die Arbeitenden aufweisen.

Definition und Bedeutung prekärer Beschäftigungsverhältnisse

Als prekär gelten Beschäftigungsverhältnisse, wenn sie die charakteristischen Standards des Normalarbeitsverhältnisses (unbefristeter Arbeitsvertrag, Vollzeitbeschäftigung, tarifvertraglich normierter Lohn oder Gehalt, Sozialversicherungspflicht) unterschreiten und deutliche Risiken für die Arbeitenden aufweisen, sei es, dass sie in der Regel nicht auf Dauer angelegt sind, ein geringeres oder kein existenzsicherndes Einkommen beinhalten und/oder arbeits- und sozialrechtlich wenig abgesichert sind. Die Erwerbsarbeit befindet sich nach Einschätzung von Arbeitsmarkt- und Berufsforschern in einem Wandel.

Das "Normalarbeitsverhältnis" ist zwar die vorherrschende Beschäftigungsform, aber prekäre Beschäftigungsverhältnisse haben in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Zu den prekären Beschäftigungsverhältnissen zählen z. B. befristete Beschäftigung, Leiharbeit (Zeitarbeit), geringfügige Beschäftigung (Mini-Jobs).

Statistik der Bundesagentur für Arbeit

Laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit ist die Anzahl der überlassenen Leiharbeitnehmer von 1994 bis 2004 von 138.451 auf 399.789 gestiegen. Das sind 1,5 % aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten. Leiharbeit (Zeitarbeit) beinhaltet, dass ein Arbeitgeber (Verleihfirma) einem Dritten (Entleiher) Arbeitskräfte zur Arbeitsleistung überlässt. Die befristeten Beschäftigungsverhältnisse haben im gleichen Zeitraum von 1.946.900 auf 2.129.700 zugenommen. Befristete Beschäftigung ist überwiegend eine Erscheinung beim Berufseinstieg (vgl. Rudolph 2005). So erhöhte sich der Anteil der befristet Beschäftigten bis zu einem Alter von 25 Jahren an der Gesamtzahl dieser Gruppe von 16,1 % im Jahr 1994 auf 23,4 % im Jahr 2004. Zentrales Merkmal eines befristeten Arbeitsvertrages ist, dass ein Beschäftigungsverhältnis definiert wird, das ohne Kündigung endet. Die Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zu einer Dauer von zwei Jahren zulässig. Bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren kann das Arbeitsverhältnis maximal dreimal verlängert werden. Wird ein Arbeitsverhältnis wegen eines Sachgrundes befristet, bestimmt der Zeitraum, in dem der Sachgrund vorliegt, die Dauer des befristeten Arbeitsverhältnisses. Es ist jedoch keine Befristung möglich, wenn zuvor mit demselben Arbeitgeber bereits ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.

Prekär ist eine Erwerbsarbeit vor allem deshalb, weil sie den Beschäftigten jede Möglichkeit zu einer längerfristig ausgerichteten stabilen Lebensplanung nimmt. Familiengründung, Elternschaft oder Wohneigentum, die in der Lebensplanung "normaler" Arbeitnehmer eine zentrale Rolle spielen, werden gerade für jüngere Beschäftigte in prekären Arbeitsverhältnissen zu einem nicht kalkulierbaren Risiko. (vgl. Kraemer/Speidel 2004).

Unsichere Beschäftigungsverhältnisse

Unsichere Beschäftigungsverhältnisse können zudem dazu führen, dass die betroffenen Beschäftigten nicht oder nur unzureichend in den Kreis der Kollegen integriert werden, es zu Spaltungen bzw. Ausgrenzungen innerhalb der betrieblichen Belegschaft kommt, was das soziale Wohlbefinden auf Grund ihres Minderheitenstatus beeinträchtigt (vgl. Dörre 2005).

Die europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz stellte 2002 zudem fest, dass vorübergehend oder befristet Beschäftigte weniger Zugang zu Bildungsmaßnahmen einschließlich Schulungen über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit haben. Unsichere Beschäftigungsverhältnisse wie z. B. Leiharbeit oder befristete Beschäftigung bieten allerdings auch Chancen. Sie können ein Sprungbrett in die Festanstellung sein. Es werden betriebliche Erfahrungen in verschiedenen Firmen gesammelt. Die Beschäftigten werden so für den Arbeitgeber interessant.

Formen prekärer Beschäftigungsverhältnisse

Bestimmte Formen prekärer Beschäftigung beinhalten aber auch höhere Belastungen und Gesundheitsrisiken im Vergleich zur "normalen" Erwerbsarbeit. Im Folgenden wird speziell auf die befristete Beschäftigung und die Leiharbeit eingegangen.

Befristete Beschäftigung und Leiharbeit

Befristet Beschäftigte arbeiten vor allem in Dienstleistungsberufen und noch häufiger im Büro- und Verwaltungsbereich. Leiharbeitnehmer werden in aller Regel dort eingesetzt "wo es brennt", das heißt sie sollen Auftragsspitzen abfangen oder Terminengpässe kompensieren. Sie arbeiten überdurchschnittlich häufig in der Metall- und Elektrobranche sowie im Entsorgungs- und Reinigungsbereich. Die Zeitarbeitsbranche ist durch eine hohe Fluktuation gekennzeichnet. Nur 40 % der Arbeitsverträge dauern länger als drei Monate, 11 % sogar nur bis zu einer Woche. Nur etwa 15 % der neu eingestellten Leiharbeitnehmer arbeiten länger als ein Jahr bei der Verleihfirma (vgl. Rudolph 2005).

Bei flexiblen Beschäftigungsverhältnissen wie etwa Zeitarbeit und befristete Beschäftigung ist mit einer Zunahme von psychomentalen Belastungen zu rechnen. Diese resultieren vor allem aus der Anforderung, sich flexibel an wechselnde Tätigkeiten, Kollegen, Vorgesetzte oder Arbeitsorte anzupassen sowie mit einem hohem Maß an arbeitsvertraglicher Unsicherheit umzugehen (vgl. Wieland/Krajewski 2002).

Gefahren prekärer Beschäftigungsverhältnisse

Die anhaltende Gefahr des Verlustes des Arbeitsplatzes geht für befristet Beschäftigte und Zeitarbeiter mit dem Risiko von Statusverlusten und Existenzängsten einher, die gesundheitsbeeinträchtigend sind (vgl. Fuchs 2003). Eine EU-Studie (1999) stellt fest, dass Menschen auf Grund ihres Beschäftigungsstatus - speziell befristet Beschäftigte und Zeitarbeiter - ihren körperlichen Gesundheitszustand schlechter einschätzen als Arbeitnehmer mit anderen Arbeitsverträgen.

Eine repräsentative Studie (vgl. Fuchs/Conrads 2003, Fuchs 2003) zeigt, dass das physische Belastungsniveau bei den Leiharbeitnehmern und befristet Beschäftigten durch das häufige Arbeiten im Stehen, das Heben und Tragen schwerer Lasten, das Arbeiten unter starkem Lärm und körperlicher Zwangshaltung sowie schädlichen Umgebungseinflüssen gekennzeichnet ist. Die hohen körperlichen Belastungen führen bei Leiharbeitnehmern im Vergleich zu allen anderen Beschäftigten verstärkt zu Schmerzen in Rücken und Extremitäten.

Sowohl Leiharbeitnehmer als auch befristet Beschäftigte arbeiten zudem häufiger unter Arbeitsanforderungen, die durch monotone, akkordähnliche Arbeit mit geringen Autonomiespielräumen (präzise Vorschriften), mit Vorgabe von Stückzahlen, Leistung oder Zeit gekennzeichnet sind. Ein großer Teil der Leiharbeitnehmer steht darüber hinaus häufig unter starkem Termin- oder Leistungsdruck. Die psychischen Belastungen führen bei befristet Beschäftigten häufiger zu Ermüdungszuständen, Kopfschmerzen, nächtlichen Schlafstörungen und Niedergeschlagenheit.

Leiharbeitnehmer tragen zudem ein höheres Unfall- und Verletzungsrisiko. Ursache sind wechselnde Einsatzorte, eine schlechtere organisatorische Integration und eine Vernachlässigung von Arbeitsschutzmaßnahmen und Sicherheitsvorkehrungen (vgl. Ueberschär 2000).

Auch bei befristet Beschäftigten besteht die Gefahr, dass auf Arbeitsbedingungen bzw. Arbeitsbelastungen und Sicherheitsmängel nicht ausreichend geachtet wird.

Maßnahmen zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit

Im Folgenden werden einige Maßnahmen zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit und Prävention von arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren vorgeschlagen.

Um berufliche Unsicherheit zu reduzieren, die Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten und die Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen, ist die Erweiterung vorhandener Qualifikationen prekär Beschäftigter wichtig. Befristet Beschäftigte sollten die Möglichkeit zur Teilnahme an betrieblichen Weiterbildungsmaßnahmen erhalten. Die Verleihfirmen sollten insbesondere in der verleihfreien Zeit in Weiterbildungsmaßnahmen von Zeitarbeitnehmern investieren.

Darüber hinaus sollte ein umfassender Arbeits- und Gesundheitsschutz auch für Beschäftigte in prekären Beschäftigungsverhältnissen realisiert werden. Zu den zentralen Maßnahmen gehören z. B. eine sorgfältige Gefährdungsbeurteilung, effektive Unterweisungen, eine gründliche Einarbeitung in neue Aufgabengebiete und die Bereitstellung von Persönlicher Schutzausrüstung.

Wenn möglich sollte befristet Beschäftigten in einseitig belastenden Tätigkeiten die Möglichkeit zu abwechslungsreicheren Arbeiten gegeben werden. Leiharbeitsfirmen sollten zur beanspruchungsoptimalen Gestaltung der Zeitarbeit bei der Personalüberlassung sorgfältig darauf achten, dass das Qualifikationsprofil des Leiharbeitnehmers möglichst mit den Arbeitsanforderungen im Kundenunternehmen übereinstimmt.

Zur Vermeidung von Marginalisierung und Diskriminierung von Zeitarbeitskräften und befristet Beschäftigten ist eine gute soziale Einbindung in den Betrieb durch Zugang zu den betrieblichen Kommunikationsroutinen und Sozialangeboten wichtig.
 



Weitere Informationen zum Thema:

Quellen

www.arbeit-und-gesundheit.de