Vibrationen

Vibrationen (mechanische Schwingungen, Erschütterungen) entstehen durch die Einwirkung von äußeren Kräften auf feste Strukturen. Eine Schwingung stellt einen dynamischen Vorgang dar, der durch die Größe der Auslenkung (Amplitude) und durch die Häufigkeit des Wechsels (Frequenz) der Bewegungsrichtung charakterisiert ist. Die Begriffe "mechanische Schwingungen", "Erschütterungen" und "Vibrationen" sind gleichbedeutend.

Ganzkörper-Schwingungen

Werden Schwingungen über das Gesäß des sitzenden Menschen (Fahren von Kraftfahrzeugen und fahrbaren Arbeitsmaschinen), über die Füße des stehenden Menschen (Arbeiten an Pressen, Schmiedehämmern usw.) oder den gesamten Körper des liegenden Menschen (Verletztentransport) in den Körper eingeleitet, werden sie als Ganzkörper-Schwingungen bezeichnet. Bei Einleitung in das Hand-Arm-System (Handhabung von vibrierenden Handarbeitsgeräten wie z. B. Schleifer, Motorsägen, Bohr-, Meißel- und Niethämmer) liegen Hand-Arm-Schwingungen vor. Gesundheitsgefährdenden Vibrationsexpositionen sind in Deutschland etwa 600.000 Beschäftigte bei Ganzkörper-Schwingungen und 1 bis 2 Millionen Beschäftigte bei Hand-Arm-Schwingungen ausgesetzt.

Reaktionen bei Schwingungsbelastungen

Reaktionen des Menschen auf die Schwingungsbelastung finden sich bei Ganzkörper-Schwingungen insbesondere im Frequenzbereich von 0,5-80 Hz und bei Hand-Arm-Schwingungen im Bereich von 8-1.000 Hz. Es können sowohl akute Effekte, die unmittelbar während der Belastung auftreten, als auch chronische Gesundheitsschäden / Berufskrankheiten entstehen. Akute Wirkungen bei Vibrationen Die akuten Wirkungen betreffen im Wesentlichen die subjektive Stärke der Wahrnehmung und eine damit verbundene Beeinträchtigung des Wohlbefindens, die Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit, z. B. bei feinmotorischer Tätigkeit, und die biomechanische Ausbreitung der Schwingungen im Körper. Schwingungsbelastungen im Bereich der Resonanzfrequenzen (Abbildung) von Körperteilbereichen sind besonders belastend und stellen eine besondere Gefährdung dar. Im Sitzen kommt es vor allem zwischen 4 und 6 Hz zu Resonanzen im Bereich der Wirbelsäule, die dadurch besonders gefährdet ist. Schwingungen mit Frequenzen zwischen 20 und 30 Hz, die den Kopf erreichen, bewirken eine massive Beeinträchtigung der Sehleistung.

Gesundheitsgefährdung bei Vibrationen

Zur Beurteilung der Schwingungsbeanspruchung und Abschätzung einer Gesundheitsgefährdung ist die Expositionshöhe und die Expositionsdauer pro Arbeitsschicht von Bedeutung.

Richtlinien und Verordnungen zum Thema "Vibrationen"

Die VDI-Richtlinie 2057 (2002) enthält den international verfügbaren wissenschaftlichen Kenntnisstand aus den Normen für Ganzkörper-Schwingungen (ISO 2631) und Hand-Arm-Schwingungen (DIN EN ISO 5349). Die bis vor 2002 geltenden Begriffe "Bewertete Schwingstärke K" und "Beurteilungsschwingstärke K~r" wurden durch die international übliche Kenngröße "Bewertete Beschleunigung" ersetzt. Eine Umrechnung der Bewerteten Schwingstärke in Bewertete Beschleunigung ist mit entsprechenden Bestimmungsgleichungen grundsätzlich möglich. Auf europäischer Ebene trat am 6. Juli 2002 die EG-Richtlinie "Vibrationen" (2002/44/EG) in Kraft. In Deutschland ist die nationale Umsetzung dieser EG-Richtlinie über die "Lärm- und Vibrationen-Arbeitsschutzverordnung" (LärmVibrationsArbSchV) erfolgt, die am 9. März 2007 inkraftgetreten ist. Auf Basis von §§ 18 und 19 ArbSchG setzt diese Verordnung gleichzeitig die EG-Richtlinie "Lärm" (2003/10/EG) um. Ziel der LärmVibrationsArbSchV ist der "Schutz der Beschäftigten vor tatsächlichen oder möglichen Gefährdungen ihrer Gesundheit und Sicherheit durch Lärm oder Vibrationen bei der Arbeit." Mit der nationalen Umsetzung der EG-Richtlinie "Vibrationen" erfolgt in allen EU-Mitgliedsstaaten eine Harmonisierung von Mindestvorschriften. Für den Bereich des Bergrechts wurde die EG-Richtlinie über eine Novelle der Gesundheitsschutz-Bergverordnung vom 25.10.2005 umgesetzt. Wichtige Kernelemente (Abbildung) der LärmVibrationsArbSchV sind die Festlegungen zur Gefährdungsbeurteilung (§ 3), Messung (§ 4), Fachkunde (§ 5), Expositionsgrenzwerte und Auslösewerte (§ 9), Maßnahmen zur Vermeidung und Verringerung der Exposition durch Vibrationen (§ 10) - darunter die Ausarbeitung und Durchführung eines Vibrationsminderungsprogramms (§ 10 Abs. 4) - Unterweisung der Beschäftigten (§ 11) und die arbeitsmedizinische Vorsorge (§§ 13, 14). Konkretisierungen zur LärmVibrationsArbSchV werden im Ausschuss für Betriebssicherheit in Form einer "Technischen Regel Lärm und Vibrationen" erarbeitet.

Expositionsgrenzwerte und Auslösewerte bei Vibrationen

Als Expositionsgrenzwerte und Auslösewerte sind in § 9 LärmVibrationsArbSchV festgelegt: Ganzkörper-Vibrationen:
  • Expositionsgrenzwert: A(8) = 1,15 m/s^2 in X- und Y-Richtung und A(8) = 0,8 m/s^2 in Z-Richtung (für Baumaschinen und Baugeräte gelten nach § 15 Übergangsvorschriften für den Expositionsgrenzwert A(8) in Z-Richtung bis zum 31.12.2011)
  • Auslösewert: A(8) = 0,5 m/s^2
Hand-Arm-Vibrationen:
  • Expositionsgrenzwert: A(8) = 5 m/s^2
  • Auslösewert: A(8) = 2,5 m/s^2

Ermittlung der Vibrationsexposition

Zur Ermittlung der Vibrationsexposition können Kennwerte von Herstellern oder aus Fachveröffentlichungen bzw. Datenbanken herangezogen werden oder durch Messungen gewonnen werden. Hierzu sind Angaben des auf 8 Stunden normierten Tages-Vibrationsexpositionswertes A(8) erforderlich. Insbesondere ist bei der Nutzung von Vibrationskennwerten zu berücksichtigen, dass erst die Kombination von Vibrationsexposition bei den konkreten Arbeitsaufgaben und -bedingungen mit der tatsächlichen Einwirkungsdauer (Definition für Hand-Arm-Vibrationen in DIN V 45694) zur Berechnung des Tages-Vibrationsexpositionswertes A(8) als Dosiswert führt.

Kennwerte zur Vibrationsbelastung

Handlungsanleitungen und Kennwerte enthalten u. a. der BGIA-Report 6/2006 "Vibrationseinwirkung an Arbeitsplätzen - Kennwerte der Hand-Arm- und Ganzkörper-Schwingungsbelastung", das EU Handbuch "Vibrationen" und die europäischen und deutschen Normen, die zum Teil direkt als Umsetzungshilfen mit Fallbeispielen und Checklisten für die EG-Richtlinie "Vibrationen" in den vergangenen Jahren entwickelt wurden. Weitere Kennwerte zur Vibrationsbelastung finden sich im Internet im "Katalog Repräsentativer Lärm- und Vibrationsdaten am Arbeitsplatz (KARLA)" sowie in der Vibrations-Expositions-Datenbank des BGIA - Berufsgenossenschaftlichen Instituts für Arbeitsschutz. Für Ganzkörper-Schwingungen finden sich in der Praxis bei der Benutzung von Fahrzeugen und fahrbaren Arbeitsmaschinen für die vertikale Schwingungsrichtung Z bestimmte Bereiche der Schwingungsbelastung (Abbildung). Für die Kennzeichnung der Schwingungsbelastung bei Hand-Arm-Schwingungen während eines Arbeitstages wird der Schwingungsgesamtwert a~hv als Vektorbetrag aus den frequenzbewerteten Beschleunigungen in den drei Messrichtungen verwendet. Bei der Verwendung vibrierender handgeführter oder handgehaltener Arbeitsgeräte sind aus Messungen Bewertete Schwingstärken (Abbildung) bzw. frequenzbewertete Beschleunigungen in Unterarmrichtung verfügbar. Diese momentanen frequenzbewerteten Beschleunigungen müssen entsprechend der tatsächlichen täglichen Einwirkungsdauer in den auf 8 Stunden normierten Tages-Vibrationsexpositionswert A(8) umgerechnet werden. Hilfestellung bietet ein Informationsblatt des Fachausschusses Maschinenbau, Fertigungssysteme, Stahlbau zur Gefährdungsbeurteilung bei handgeführten oder handgehaltenen Arbeitsgeräten. Zu den neuen Bestimmungen gehört auch die arbeitsmedizinische Vorsorge nach §§ 13 und 14 LärmVibrationsArbSchV. Hierfür steht der Berufsgenossenschaftliche Grundsatz für arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen "Belastungen des Muskel- und Skelettsystems einschließlich Vibrationen" (G 46) zur Verfügung. Hinweise zu gefährdenden Arbeitsmitteln oder Tätigkeiten geben die zugehörigen Handlungsanleitungen (BGI 504-46). Liegt über viele Jahre täglich eine intensive berufliche Schwingungsbelastung vor, ist das Risiko einer chronischen gesundheitlichen Schädigung nicht auszuschließen. So können nach der Liste der Berufskrankheiten folgende Erkrankungen, die durch Ganzkörper-Schwingungen verursacht werden, als Berufskrankheit anerkannt werden:
  • "Abrissbrüche der Wirbelfortsätze (BK Nr.: 2107)"
  • "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjährige, vorwiegend vertikale Einwirkung von Ganzkörper-Schwingungen im Sitzen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können (BK Nr.: 2110)".

Berufskrankheiten bei Vibrationen

Folgende durch Hand-Arm-Schwingungen verursachte Erkrankungen des Hand-Arm-Systems können als Berufskrankeit anerkannt werden:
  • "Erkrankungen durch Erschütterung bei Arbeit mit Druckluftwerkzeugen oder gleichartig irkenden Werkzeugen oder Maschinen (BK Nr.: 2103)"
  • "Vibrationsbedingte Durchblutungsstörungen an den Händen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können (BK Nr.: 2104)".
Die Berufskrankheit Nr. 2103 beinhaltet im Wesentlichen die degenerativen Veränderungen an den Knochen und Gelenken des Hand-Arm-Systems, die hauptsächlich durch niederfrequente Schwingungsbelastungen von etwa <50 Hz hervorgerufen werden. Die Berufskrankheit Nr. 2104 betrifft vorwiegend Nerven- und Durchblutungsstörungen an den Händen. Sie wird auch als "Vibrationsbedingtes Vasospastisches Syndrom (VVS)" (Weißfingerkrankheit) bezeichnet und im Allgemeinen durch höherfrequente Schwingungen von >50 Hz verursacht. Neben der Beurteilung der Schwingungsbelastungen an Arbeitsplätzen (Schwingungsimmission) sind für Schwingungsemissionen nach der EG-Maschinenrichtlinie bereits bei Konzipierung und Bau von Maschinen grundlegende Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen festzulegen, so dass "Gefahren durch Maschinenvibrationen auf das unter Berücksichtigung des technischen Fortschrittes und der verfügbaren Mittel zur Verminderung der Vibrationen, vornehmlich an der Quelle, erreichbare niedrigste Niveau gesenkt werden". Die Novelle der EG-Maschinenrichtlinie (2006/42/EG) wird zum Ende 2009 für Hersteller und Anwender einige Neuerungen vorsehen, die in einem Informationsblatt des Fachausschusses Maschinenbau, Fertigungssysteme, Stahlbau erläutert sind. Die für jede Maschine mitzuliefernde Betriebsanleitung muss Angaben über die Vibrationsemission als frequenzbewertete Beschleunigung enthalten. Bei Hand-Arm-Schwingungen ist der nach den entsprechenden Prüfregeln ermittelte Wert am Handgriff anzugeben, wenn er über 2,5 m/s² liegt (entspricht einem KHZ-Wert von etwa 16). Die Prüfregeln in entsprechenden europäischen Normen sind allerdings in Überarbeitung, da überwiegend die Angabe des Schwingungsgesamtwertes a~hv als Vektor noch fehlt. Deshalb muss bei Verwendung der Angaben der Betriebsanleitung geprüft werden, ob eine aktualisierte europäische Norm zu Grunde liegt. Der angegebene Wert kann sonst zu einer Fehleinschätzung der Gefährdung durch Vibrationseinwirkung führen. Bei Ganzkörper-Schwingungen (Einleitung über Füße bzw. Gesäß) ist bereits bei Überschreitung eines Wertes von 0,5 m/s² (entspricht in der vertikalen Schwingungsrichtung einem KZ-Wert von 10) der genaue Wert anzugeben. Werden die Werte nicht überschritten, so ist dies auch anzugeben. Dadurch ist die Auswahl schwingungsarmer Geräte und die Abschätzung eines Gesundheitsrisikos möglich. Grenzwerte von Schwingungsbelastungen für die Benutzung von Motorkettensägen und für Fahrersitze von Traktoren sind in den Vorschriften für Sicherheit und Gesundheit der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften festgelegt.

Schutz vor Vibrationen

Zum Schutz vor Vibrationen müssen nach § 10(1) LärmVibrationsArbSchV Vibrationen am Entstehungsort verhindert oder so weit wie möglich verringert werden. Technische Maßnahmen zur Minderung von Vibrationen haben Vorrang vor organisatorischen Maßnahmen. Dies kann durch konstruktive Maßnahmen, durch sorgfältige Auswahl der Arbeitsverfahren und der Arbeitsprinzipien geschehen. Sind Vibrationen zum Erreichen des Arbeitszieles erforderlich, z. B. beim Meißelhammer, so ist eine Reduzierung der Schwingungsübertragung (Schwingungsisolierung) notwendig. Nach § 10(4) LärmVibrationsArbSchV ist bei Überschreiten der Auslösewerte ein Vibrationsminderungsprogramm auszuarbeiten und durchzuführen. Schwingungen können technisch auf viele Arten vermindert werden. Bei folgenden Beispielen wurde eine wesentliche Schwingungsminderung erreicht:
  • Einsatz von Pressnietgeräten oder rückstoßgeminderten Niethämmern
  • Verwendung von Drehmomentschraubern an Stelle von Schlagschraubern
  • Einsatz von schwingungsgedämpften Schlag- und Aufbruchhämmern (Straßen-/Bergbau)
  • Benutzung von Meißelhämmern für die Stein- und Stahlbearbeitung mit vibrationsdämpfender Griffhülse für die Meißelführung
  • Verwendung von handgehaltenen/handgeführten Arbeitsmaschinen mit vibrationsgedämpften Handgriffen
  • schwingungsisolierte Aufstellung von Schmiedehämmern oder Nippelmaschinen
  • Federung von Fahrerkabinen von Sattelkraftfahrzeugen und Krankabinen
  • Einbau eines auf das Fahrzeug abgestimmten gefederten und gedämpften Fahrersitzes.

Quellen

www.arbeit-und-gesundheit.de