Störfall

Ein Störfall bezeichnet ein Ereignis,

  • das sich aus einer Störung des bestimmungsgemäßen Betriebes in einem Betriebsbereich oder einer Anlage ergibt
  • das unmittelbar oder später zu einer ernsten Gefahr oder zu Sachschäden von mindestens 2 Millionen Euro innerhalb (500.000 Euro außerhalb) des Betriebsbereichs führt
  • bei dem ein - im Anhang I der Verordnung aufgeführter - gefährlicher Stoff beteiligt ist.

Eine ernste Gefahr im Sinne der Störfallverordnung ist eine Gefahr, bei der das Leben von Menschen bedroht wird oder schwerwiegende Gesundheitsbeeinträchtigungen zu befürchten sind. Eine ernste Gefahr liegt auch dann vor, wenn die Gesundheit einer großen Zahl von Menschen beeinträchtigt werden kann oder die Umwelt, insbesondere Tiere und Pflanzen, der Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- oder sonstige Sachgüter geschädigt werden können, falls durch eine Veränderung ihres Bestandes oder ihrer Nutzbarkeit das Gemeinwohl beeinträchtigt würde.

Geltungsbereich:

Entsprechend der Seveso-II-Richtlinie, die mit der Störfallverordnung umgesetzt ist, gilt sie jeweils für den Betriebsbereich, d. h. den gesamten unter der Aufsicht eines Betreibers stehenden Bereich, in dem gefährliche Stoffe in einer oder mehreren Anlagen vorhanden sind. Außer Anlagen und Lägern werden dadurch auch die Infrastruktur und Tätigkeiten erfasst und damit die Stoffmengen berücksichtigt, die dort bzw. dabei vorhanden sind oder bei Störungen entstehen können. Um festzustellen, ob ein störfallrelevanter Betriebsbereich vorhanden ist, werden in der Störfallverordnung (Anhang I) allgemeine Stoffkategorien aufgelistet. Für jede Kategorie bzw. für jeden Einzelstoff sind zwei Mengenschwellen angegeben: Erreichen oder überschreiten die Stoffmengen die untere Mengenschwelle, gelten Grundpflichten, oberhalb der höheren Schwelle muss der Betreiber auch erweiterte Pflichten erfüllen. Sind mehrere gefährliche Stoffe vorhanden, müssen nach bestimmten Regeln die Teilmengen für jeden gefährlichen Stoff auf die Mengenschwellen bezogen und Summengrößen für Kategorien und Kategoriegruppen berechnet werden, um zu ermitteln, ob die Störfallverordnung anzuwenden ist.

Mindestens einen Monat vor Errichtung eines Betriebsbereichs, der unter die Störfallverordnung fällt, muss der Betreiber eine schriftliche Anzeige bei der zuständigen Behörde machen. Darin sind Daten über den Betreiber, die relevanten Stoffe, ggf. die Stoffkategorie(n), ihre Menge und die (beabsichtigte) Tätigkeit in den Anlagen eines Betriebsbereichs aufzuführen. Außerdem sind Gegebenheiten in der unmittelbaren Umgebung des Betriebsbereichs zu nennen, die einen Störfall auslösen oder dessen Folgen verschlimmern können.

Die Störfallverordnung lenkt den Blick nicht nur auf technische Fragen, sondern auch auf Organisation und Management der Betriebssicherheit.

Zu den Grundpflichten des Betreibers zählen folgende Aufgaben:

Allgemeine Betreiberpflichten: Unter Berücksichtigung betrieblicher und umgebungsbedingter Gefahrenquellen sowie von Eingriffen Unbefugter müssen Vorkehrungen getroffen werden, die Störfälle verhindern. Außerdem sind vorbeugende Maßnahmen zu treffen, um die Auswirkungen von Störfällen möglichst gering zu halten. Die Anlagen selbst und das Betreiben der Anlagen müssen dem Stand der Sicherheitstechnik entsprechen.

Anforderungen zur Verhinderung von Störfällen: Insbesondere sind Maßnahmen hinsichtlich Bränden und Explosionen zu treffen:

  • um sie innerhalb des Betriebsbereichs zu vermeiden
  • damit sie nicht von einer Anlage auf andere Anlagen im Betriebsbereich übergreifen können
  • damit der Betriebsbereich nicht von außen gefährdet wird.

Die Anlage muss mit ausreichenden Warn-, Alarm- und Sicherheitseinrichtungen sowie mit ausreichend zuverlässigen Mess-, Steuer- oder Regeleinrichtungen ausgestattet sein. Soweit es sicherheitstechnisch geboten ist, müssen die Einrichtungen verschiedenartig, voneinander unabhängig und ggf. auch mehrfach vorhanden sein. Sicherheitsrelevante Anlageteile müssen vor dem Eingriff Unbefugter geschützt werden.

Anforderungen zur Begrenzung von Störfallauswirkungen: Durch Beschaffenheit der Fundamente und tragenden Gebäudeteile dürfen bei Störfällen keine zusätzlichen Gefahren hervorgerufen werden. Die Anlagen sind mit den erforderlichen sicherheitstechnischen Einrichtungen auszurüsten und es müssen die erforderlichen technischen und organisatorischen Schutzmaßnahmen getroffen werden. Behörden und Einsatzkräfte sind bei einem Störfall unverzüglich, umfassend und sachkundig zu beraten.

Ergänzende Anforderungen: Sicherheitsrelevante Anlagenteile müssen bei Errichtung und wiederkehrend geprüft werden. Die Sicherheitstechnik der Anlagen ist durch ständige Überwachung und regelmäßige Wartung funktionstüchtig zu halten, Wartung und Reparatur müssen nach dem Stand der Technik durchgeführt werden. Vorkehrungen sind zu treffen, damit Fehlbedienungen vermieden werden. Anweisungen und Schulungen sind durchzuführen, um Fehlverhalten vorbeugen.

Sieht die Behörde eine wechselseitige Gefährdung mit anderen, benachbarten Betreibern muss zwischen diesen ein Informationsaustausch erfolgen, um die Handlungsweise zur Störfallverhinderung abzustimmen. Ebenso ist eine Zusammenarbeit betreffend Öffentlichkeitsinformation und Datenübermittlung an die Behörde zur Erstellung externer Alarm- und Gefahrenabwehrpläne vorgeschrieben. Auf Verlangen sind der Behörde alle zusätzlichen Informationen zur Beurteilung von Eintrittsmöglichkeit, erhöhter Wahrscheinlichkeit und Verschlimmerung von Störfällen, zum Erstellen externer Notfallpläne und für besondere Vorkehrungen bei Eintritt eines Störfalls zu geben. Für Kontrollen und Inspektionen durch die zuständigen Behörden muss ein schriftliches Konzept zur Verhütung von Störfällen verfügbar sein, das Gesamtziele und allgemeine Grundsätze zur Verhütung und Begrenzung der Risiken von Störfällen beschreibt. Dem Konzept muss ein Sicherheitsmanagementsystem zu Grunde liegen, Grundsätze und Anforderungen daran sind in Anhang III aufgeführt.

Erweiterte Pflichten:

Bei den erweiterten Pflichten werden zusätzlich zu den Grundpflichten die folgenden Dokumente und Maßnahmen gefordert:

  • ein Sicherheitsbericht
  • Alarm- und Gefahrenabwehrpläne
  • Information über Sicherheitsmaßnahmen und richtiges Verhalten bei Störfällen, sowohl für die Beschäftigten als auch für die Öffentlichkeit (in Abstimmung mit der Behörde besteht die Möglichkeit, bestimmte Teile des Sicherheitsberichts nicht offen zu legen)
  • auf Verlangen die Einrichtung einer geschützten Informationsverbindung zu einer von der Behörde genannten Stelle
  • die Benennung eines Störfallbeauftragten
  • Unterlagen über die Prüfungen sicherheitsrelevanter Anlagenteile, über die Überwachung und Wartung der Anlage, über sicherheitsrelevante Reparaturarbeiten und die Funktionsprüfungen der Warn-, Alarm- und Sicherheitseinrichtungen; die Unterlagen sind mindestens fünf Jahre lang aufzubewahren.

Der Sicherheitsbericht ist eine Dokumentation, in der alle für die Sicherheit der Anlage(n) und ihres Betriebes bedeutsamen Umstände zusammengefasst und bewertet werden. Im Anhang II der Störfallverordnung, der die Mindestangaben auflistet, wird eine Gliederung vorgegeben.

Die Alarm- und Gefahrenabwehrpläne legen u. a. fest: die Alarmierung aller von der Störfallgefahr Bedrohten, die Alarmierung der zur Gefahrenabwehr vorgesehenen Einsatzkräfte, den Einsatz der betrieblichen Kräfte, die Regeln für das Verhalten der Beschäftigten, die Benachrichtigung außerbetrieblicher Institutionen. Störfälle können sich außerhalb des Betriebs auswirken oder es kann erforderlich werden, dass Einsatzkräfte des Katastrophenschutzes bzw. der allgemeinen Gefahrenabwehr im Betrieb tätig werden. Aus diesem Grund müssen die betrieblichen Alarm- und Gefahrenabwehrpläne mit der örtlichen Katastrophenschutz- und Gefahrenabwehrplanung koordiniert werden. Dabei muss auch abgewogen werden, inwieweit der Anlagenbetreiber und seine technischen Einrichtungen und Hilfsmittel außerhalb des Betriebes zur Begrenzung oder Beseitigung der Störfallauswirkungen herangezogen werden können. Die geforderten Informationen sind im Anhang IV der Störfallverordnung benannt. Im Abstand von höchstens drei Jahren muss die Erprobung der Alarm- und Gefahrenabwehrpläne erfolgen, im gleichen Zeitintervall wird eine Überprüfung und ggf. Aktualisierung gefordert.

Bei den von der Störfallverordnung erfassten Anlagen mit einem hohen Gefährdungspotenzial muss der Anlagenbetreiber alle sicherheitstechnisch relevanten Aspekte des Anlagenbetriebs jederzeit kennen, um die Anlage entsprechend sicher betreiben zu können. Hieraus folgt, dass die Analyse der Anlagensicherheit stets dem aktuellen Stand entsprechen muss.

Ist ein Störfall aufgetreten, muss die zuständige Behörde informiert werden. Die Kriterien für die Meldepflicht einer Betriebsstörung sind im Anhang VI der Störfallverordnung niedergelegt. Spätestens innerhalb der darauf folgenden Woche muss eine ergänzende schriftliche Meldung erfolgen, für die Mindestangaben ebenfalls in Anhang VI vorgegeben sind.


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