Blickverfolgung

Nach der Informationsaufnahme erfolgt die Informationsverarbeitung, die dann zur Informationsumsetzung, also zum Verhalten, führt. Die Informationsaufnahme ist also die Eingangsseite und die Informationsumsetzung die Ausgangsseite des Systems "Mensch". Die visuelle Informationsaufnahme wirkt sich auf unser Verhalten aus und ist bei dessen Steuerung von großer Bedeutung. So auch im Arbeitsschutz: Bei der Bedienung von Maschinen, bei der Fortbewegung, beim Betrachten von Sicherheitsmedien und vielen anderen Tätigkeiten werden Informationen über die Augen aufgenommen, die dann weiterverarbeitet werden und sich auf unser Verhalten auswirken. Auf der Grundlage von Blickbewegungsuntersuchungen lassen sich unterschiedliche Arbeitsmittel und Arbeitsplätze optimieren, so dass entsprechende Untersuchungen einen Beitrag zur aktiven Prävention darstellen.

Generell werden visuelle Informationen in einer Abfolge von Fixationen und dazwischen liegenden ruckartigen Augenbewegungen (Sakkaden) aufgenommen. In der Regel verharrt das Auge ein- bis dreimal pro Sekunde, wobei der Betrachter den fixierten Teil des Reizmusters analysiert; dazwischen springt das Auge von einem Fixationspunkt zum nächsten. Die Sakkaden und Fixationen können mit einem Blickverfolger aufgezeichnet bzw. berechnet werden. Zur genaueren Auswertung lassen sich so genannte "Areas of Interest" definieren. Dies sind Gebiete, die für die Analyse von besonderem Interesse sind. Für diese Bereiche kann man bestimmen, wie häufig und wie lange dorthin geschaut wurde bzw. wie viele Fixationen in diesen Bereichen stattgefunden haben.

Blickverfolgungssysteme können bei zahlreichen Forschungsfragestellungen eingesetzt werden, die für den Arbeitsschutz relevant sind.

Wirksamkeit von Medien: Es können unterschiedliche Medien wie Plakate, Internetangebote, gedruckte Texte oder auch Filme hinsichtlich ihrer Gestaltung untersucht werden. Man kann überprüfen, ob relevante Informationen überhaupt aufgenommen werden, auf welche Elemente der Blick als Erstes fällt oder ob die Veränderung der Gestaltung zu entsprechenden Veränderungen in der Blickbewegung führt.

Software-Ergonomie

: Es kann untersucht werden, ob Befehle schnell gefunden werden oder ob ein eher unsystematisches Suchverhalten besteht. Auch zu Fragen von barrierefreien Internetseiten, d. h. dass auch Menschen mit Behinderungen das Internet ohne Hindernisse nutzen können, lassen sich entsprechende Untersuchungen durchführen.

Arbeitsplatzanalysen: Man kann überprüfen, ob visuelle Gefahrensignale so positioniert sind, dass sie für das natürliche Blickverhalten optimal, d. h. nicht zu tief oder zu hoch angebracht sind. Bei Überwachungstätigkeiten kann das unterschiedliche Blickverhalten von hoch geübten und weniger geübten Personen untersucht werden. Es lässt sich daraufhin ein optimierter Blickverlauf entwickeln, der dann mit ungeübten Personen trainiert wird.

Die Aufmerksamkeitsverteilung von Personen kann während der Ausübung ihrer Tätigkeit erforscht werden, um Hinweise für eine optimale Gestaltung des Arbeitsplatzes zu erhalten.

Mensch-Maschine-Schnittstellen: Im Bereich der Mensch-Maschine-Schnittstellen können Blickbewegungsuntersuchungen wertvolle Hinweise für die Gestaltung dieser Schnittstellen liefern (Usability-Forschung). Durch eine optimierte Gestaltung entsprechender Schnittstellen lassen sich auch psychische Fehlbelastungen reduzieren.

Arbeitsplatzunspezifische Unfallschwerpunkte: Im Bereich der Wegeunfälle bzw. Verkehrssicherheit können Blickbewegungsuntersuchungen Aufschluss darüber geben, wann Fahrer ihre Blicke auf fahraufgabenrelevante Objekte (Fahrbahn, andere Verkehrsteilnehmer) richten und welche Bedingungen zur Abwendung von solchen Objekten führen. Es lassen sich auch Effekte unterschiedlicher Alkoholmengen auf das Blickverhalten untersuchen.

Grenzen eines Blickverfolgers: Blickverfolgungsdaten geben keine Auskunft darüber, warum eine Person auf eine bestimmte Stelle geschaut hat oder ob die Person die aufgenommene Information weiterverarbeitet hat und etwas behält von dem, was sie gesehen hat, oder ob und welche Emotionen die Wahrnehmungsinhalte ausgelöst haben. Daher sollte man Blickbewegungsdaten nicht isoliert betrachten, sondern immer auch andere Daten heranziehen. Hierzu gehören

  • Sozial-Strukturdaten: Die Versuchspersonen sollten hinsichtlich bestimmter Kriterien wie z. B. Alter, Berufserfahrung, Geschlecht u. Ä. der Zielgruppe entsprechen.
  • Fragebogen: Fragebögen bieten u. a. die Möglichkeit, Gedächtnisleistungen zu überprüfen. Darüber hinaus können subjektive Bewertungen oder Einstellungen erfasst werden.
  • Semantisches Differential: Hiermit misst man den emotionalen oder konnotativen Raum eines Reizes, d. h. die wertende (Neben-)Bedeutung. Es wird also nicht die eigentliche Bedeutung eines Reizes erfasst, sondern das, was emotional mitschwingt.
  • Gestalterische und ergonomische Kriterien: Kriterien, die bereits in anderen Forschungszusammenhängen untersucht wurden, sollten bei der Beurteilung von Produkten und Maschinen berücksichtigt werden.

Außerdem sollte bei der Planung von entsprechenden Untersuchungen berücksichtigt werden, dass der Aufwand der Datenerhebung und Auswertung sehr hoch ist und es ein paar technische Einschränkungen gibt. Bei einigen Blickverfolgungssystemen darf die Versuchsperson ihren Kopf nicht bewegen. Werden Daten bei bewegtem Kopf aufgezeichnet, ist eine aufwändigere Art der Auswertung notwendig. Es gibt inzwischen auch so genannte Head-Tracking-Systeme, die die Bewegung des Kopfes im Raum mit aufzeichnen. Außerdem ist i. d. R. eine Kabelverbindung zwischen dem Blickverfolger und Aufzeichnungsrechner notwendig, so dass nur eine gewisse Entfernung möglich ist (bis zu 10 Meter). Hersteller von Blickverfolgern bieten inzwischen Erweiterungen an, mit denen es möglich ist, über Funk zu übertragen und aufzuzeichnen, so dass innerhalb von Gebäuden eine Entfernung von bis zu 30 Metern realisierbar ist.

Quellen

www.arbeit-und-gesundheit.de