Notfallpsychologie

Die Notfallpsychologie lässt sich in eher theoretisch und eher praktisch orientierte Bereiche unterteilen, die sich ergänzen und zum Teil ineinander übergehen. Die theoretisch orientierte Notfallpsychologie befasst sich mit der wissenschaftlichen Forschung und Theoriebildung bezüglich der auftretenden Symptome und Störungen bei Einzelpersonen oder Gruppen, die Notfallsituationen erlebt haben. Sie beschäftigt sich außerdem mit der Entwicklung von Methoden und Betreuungsmaßnahmen sowie der Bewertung ihrer Wirksamkeit und ihres Nutzens. Zu diesem Gebiet gehört beispielsweise die Forschung zur Entstehung von Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) oder zur Effektivität verschiedener Therapien, wie z. B. psychologischer oder medikamentöser Therapien. Die praktische Notfallpsychologie umfasst Maßnahmen, (Abbildung) die auf die Unterstützung von Personen bei der Belastungsbewältigung sowie auf die Prävention von Langzeitauswirkungen (z. B. PTBS) ausgerichtet sind. So kann ein Gespräch unmittelbar nach einem belastenden Ereignis, z. B. wenn jemand Zeuge eines Unfalls war, zur Entlastung beitragen. Betreuungsangebote umfassen Präventions-, (Akut-)Interventions- und Nachsorgemaßnahmen. Sie richten sich an alle Personen, die von einer Notfallsituation betroffen sind bzw. sein können. Das können sowohl direkt Betroffene als auch indirekt Betroffene - wie Helfer, Augenzeugen, Kollegen oder Angehörige - sein. Maßnahmen der Prävention sind vor allem Schulungen und Informationsvermittlung zur Vorbereitung von Personen auf Notfallsituationen. Dazu gehört unter anderem das Wissen um mögliche Folgen eines traumatisierenden Ereignisses, wie beispielsweise Schlaf- und Konzentrationsstörungen, Vermeidungsreaktionen und Flashbacks, d. h. das unkontrollierte Wiedererleben von bildhaften Erinnerungen, Gerüchen oder Geräuschen des traumatisierenden Ereignisses. Das Wissen um komorbide, d. h. begleitende Störungen oder körperliche Erkrankungen, die mit dem Trauma in direktem oder indirektem Zusammenhang stehen, ist ebenfalls wichtig. Zu diesen Störungen gehören beispielsweise Depressionen, Suizidalität, Substanzmissbrauch (Alkohol, Nikotin, Medikamente oder Drogen) und körperliche Beschwerden. Die Betroffenen haben oft auch die sozialen Folgen des Traumas zu bewältigen, wie beispielsweise Familienkrisen, Schwierigkeiten am Arbeitsplatz, Berufsunfähigkeit oder finanzielle und gerichtliche Folgen. Das Wissen um die Folgen traumatisierender Ereignisse kann dazu beitragen, diese als normale Reaktionen auf ein außergewöhnliches Ereignis zu verstehen und beim Auftreten von Symptomen ggf. schneller professionelle Hilfe aufzusuchen. Die Akutintervention umfasst Maßnahmen wie psychologische Erstbetreuung durch Fachpersonal oder kollegiale, d. h. betriebliche Ansprechpartner. Sie findet normalerweise innerhalb von 24 Stunden nach dem traumatisierenden Ereignis statt. Unter psychologischer Erstbetreuung versteht man, ähnlich wie unter der medizinischen Ersten Hilfe, die elementare Erstversorgung in Form von 1-zu-1-Gesprächen direkt nach dem belastenden Ereignis. Andere Bezeichnungen für die Erstbetreuung sind "psychologische Erste Hilfe", "kollegiale Beratung" oder "Peer Support". Erstbetreuer beherrschen neben Theorien zur Stress- und Traumabewältigung den Umgang mit betroffenen Kollegen nach einer Unfall- oder Notfallsituation. Sie wissen, welche Beanspruchungsfolgen auftreten können und an wen sie ggf. weiterverweisen müssen. Häufig ist nach der Akutintervention keine weiterführende Betreuung notwendig, da die Beschwerden der Betroffenen von selbst abklingen. Psychologische Stabilisierungsmaßnahmen stellen eine weiterführende Form der Betreuung von direkt und indirekt Betroffenen dar, die ihnen bei der Verarbeitung der belastenden Erlebnisse helfen sollen. Sie können unterschiedliche Maßnahmen umfassen, wie z. B. stabilisierende psychotherapeutische Sitzungen, wie Einzel- und Gruppengespräche, Informationsveranstaltungen oder Telefonberatungen. Die Nachsorge bezieht sich auf Maßnahmen wie die Weiterbetreuung der Betroffenen, deren Wiedereingliederung in den Arbeitsalltag (z. B. Arbeitserprobung) oder auch eine eventuell notwendige psychologische Behandlung. Diese sollte durch approbierte Psychotherapeuten mit traumaspezifischer Zusatzausbildung oder durch geschulte Fachärzte geleistet werden. Ziele der psychologischen Therapie sind unter anderem die Behandlung von Folgestörungen, wie z. B. von posttraumatischen Belastungsstörungen, die Verarbeitung der traumatischen Erfahrung sowie die Integration dieser Erfahrungen in die persönliche Lebensgeschichte der Betroffenen. Insgesamt lässt sich feststellen, dass sich notfallpsychologische Erstbetreuung nach Schock- oder Unfallereignissen für alle Beteiligten auszahlt. Der Betroffene kann im Notfall mit psychologischer Unterstützung rechnen, die dazu beiträgt, menschliches Leid zu lindern. Gleichzeitig können durch diese zeitnahen psychologischen Maßnahmen Fehlzeiten reduziert und somit Kosten vermieden werden, die auf Grund möglicher langfristiger psychischer und körperlicher Auswirkungen des Schockereignisses entstehen können.

Quellen

www.arbeit-und-gesundheit.de